Gestern hatten meine kleine Enkelin und ich wieder einmal einen unserer gemeinsamen Nachmittage. In der vorweihnachtlichen Dämmerung wurde es früher still als sonst. Während wir zusammen einen Tee mit Milch und einen „Cookie“ genossen, entdeckte sie die Weihnachtskrippe, die ich am Wochenende auf unserer breiten Fensterbank aufgebaut hatte. Der Stall mit Maria und Josef, das Christuskind in der Krippe, Ochs und Esel, die Hirten mit den Schafen davor – es war wie die Inszenierung der Geschichte vor den Augen des kleinen Mädchens. In ihrem Gesichtchen konnte ich sehen, wie die Szenen in ihr lebendig wurden. Aber irgendetwas schien sie zu stören. Sie überlegte nicht lange und begann, die Figuren nach ihren Vorstellungen umzustellen. Dabei wurde schnell klar, was sie störte und nicht in ihr Bild passte: Bei Maria angekommen, die vor der Krippe in Betrachtung des Christuskindes kniete, bog sie die weichen Arme der Figur auseinander und legte das Christuskind hinein. Dann schloss sie sie wieder, so dass das „Baby“ nun eng am Herzen der Mama ruhte und die Windel, die es umhüllte, es vor den Blicken von außen schützte. Es gab nur noch Nähe und Zärtlichkeit zwischen Mutter und Kind- nichts mehr! Zufrieden stellte sie die „Mama“ wieder an ihren Platz im Stall.
Ich war tief berührt und zugleich selbst erstaunt darüber, wie sehr diese sichtbare Nähe zwischen Mutter und Kind die Stimmung der ganzen Szenerie veränderte. Ich hatte die betrachtende Haltung von Maria, die ja immerhin einen Blickkontakt zu ihrem Kind – zum Jesuskind- herstellte, selbst nie in Frage gestellt. Dennoch hatte sie immer so etwas wie eine eher ehrfürchtige Distanz erzeugt, die meine kleine Enkelin intuitiv gespürt und zielsicher aufgelöst hatte. Entschlossen und zugleich behutsam hatte sie mit ihrer Umgestaltung sichtbar gemacht, was eigentlich im Zentrum dieser ganzen Geschichte steht: Liebe – von Anfang an! Jetzt floss sie berührend und für alle spürbar durch den Stall von Bethlehem.
Auch dieses Kind „Jesus“, das als erwachter Christus ein Symbol für die alles durchdringende Kraft der Liebe werden sollte, war ein verletzliches Baby, das auf die bedingungslose Liebe und den Schutz seiner Mutter angewiesen war. Maria ist nicht allein die Gottesmutter als die wir sie verehren, sondern ist ein Symbol für alle Mütter, die sich auch unter schwierigsten Bedingungen um das Wohl und Wehe ihrer Kinder sorgen. Ihre bedingungslose Liebe macht sie erfinderisch und lässt sie immer wieder über sich selbst hinauswachsen. Um so wichtiger ist es, Mütter zu unterstützen. Die Szene im Stall zeigt, dass auch Maria nicht allein ist. Sie ist durchstrahlt von einer göttlichen Liebe, die die Engel anwesend sein lässt. Und zugleich ist sie auf dieser Erde eingebunden in eine Gemeinschaft aus Arm und Reich, aus Menschen und Tieren! Die Saat für Mitgefühl und Liebe, ohne die die menschliche Gemeinschaft nicht existieren kann, ist in fruchtbaren Boden gelegt.
Meine kleine Enkelin betrachtete die Szene noch einmal. Bevor sie sich wieder ihrem eigenen Spiel zuwandte, rückte sie die leere Krippe näher an Maria heran. Dann öffnete sie die Arme von Maria leicht und bog die Figur so, dass sie sich der Krippe zuneigte, damit sie ihr Kind nun sanft ins Bettchen legen konnte – und sei es eine Krippe.
Während sie fröhlich davonsprang, um sich wieder ihren Puppen zu widmen, blieb ich still zurück mit meinem innigsten Weihnachtswunsch: dass irgendwann alle Kinder aus einer solchen inneren Gewissheit des Geliebt -Seins schöpfen können mögen, um intuitiv zu wissen, worauf es ankommt: liebevolle Beziehungen – gerade am Anfang des Lebens
PS: Schauen Sie doch einmal auf das Netzwerk Hochsensibles Kind und Familie bei Aurum Cordis!