Autorin: Imke Jennrich
Seit gut einem Jahr nun befinden wir uns in der sogenannten Corona-Krise. Im April letzten Jahres wussten wir noch gar nicht, womit wir es da eigentlich zu tun haben, es herrschte die Stimmung vor: wenn wir uns nur ordentlich zusammen rissen, dann würde es hoffentlich auch bald vorbei sein.
Inzwischen sind wir müde geworden. Viele fühlen sich ihrer Freiheiten beraubt, und von einem gewissen Standpunkt aus ist es gar nicht so entscheidend, ob man dafür in erster Linie das Virus, die Wissenschaftler oder die Politiker verantwortlich macht. Interessant dabei ist, dass wir „die Corona-Ereignisse immer wieder ganz als außerhalb unserer Verantwortung“ erleben. So schreibt es Dr. Till Florschütz in seinem Artikel „Die Corona-Krise – ein Schwellenerlebnis?“ (www.hinweis-hamburg.de, März 2021). Wir fühlen uns einem Geschehen ausgeliefert, das über die Menschheit gekommen ist. Aber da ich Teil dieser Menschheit bin, ist auch das Geschehen Teil meines Schicksals geworden. Und für mein Schicksal bin ich verantwortlich.
Diese Gedankengänge von Florschütz haben mich inspiriert, denn es geht um etwas anderes, als sich (nur) verantwortlich zu verhalten (z.B. in dem ich vorgegebene Regeln einhalte). Verantwortlich zu sein in diesem Sinne bedeutet auch immer, handlungsfähig zu sein. Doch wie soll ich handeln in einem Geschehen, das mich vordergründig zum Stillhalten aufruft (Stichwort „social distancing“)? Florschütz beschreibt in seinem Artikel eine Möglichkeit, die mich ein wenig an die Regnose von Matthias Horx („Die Zukunft nach Corona“) erinnert:
Man solle sich vorstellen, Teil einer Gruppe zu sein, die eine besondere spirituelle Schulung durchläuft. Als spezielle Herausforderung würde eine Zeit und Szene geschildert, die wie „Corona 2020“ aussieht. „Was wäre dabei Ihre Aufgabe gewesen? Welche gegenwärtige Haltung Ihrerseits wäre im Sinne dieses Selbstauftrags eine erfolgreiche oder richtige?“
Wenn man sich wirklich auf dieses Gedanken- und Gefühlsexperiment einlässt, passiert etwas Erstaunliches: Der Blick wendet sich ab von der Beurteilung im Außen, ob andere richtig oder falsch handeln, und warum ich das richtig oder falsch finde. Ich komme zu mir. Ich sage Ja zu der Situation, mehr noch: ich ergreife sie und werde zu einem aktiven Gestalter. Und nun ist Phantasie gefragt, Vorstellungskraft, Kreativität. Kreativität aber ist das, was im Augenblick entsteht, es ist Lebendigkeit pur. Das zu spüren befreit innerlich, eine Freiheit, die mich von äußeren Beschränkungen unabhängig macht.
Autorin: Imke Jennrich